
Warum soziales Engagement den Geschäftsbetrieb positiv beeinflussen kann
Manuela Pastore, Global Lead der sozialunternehmerischen Initiative „Making More Health“ (MMH) bei Boehringer Ingelheim, wird oft gefragt: „Wie war es in Indien? Was haben Sie dort erlebt? Ist es dort auch ungefährlich? Bestimmt herrscht dort viel Armut?! Haben Sie vor, wieder zurück zu gehen? Und zusammen mit einem NGO-Mitarbeiter als Geschäftsvertreter zu arbeiten?“ In diesem Gastbeitrag erzählt uns Manuela Pastore von ihren Erfahrungen mit der Initiative MMH, bereichernden Momenten, inspirierenden Erkenntnissen und warum soziales Engagement tatsächlich etwas bewirken kann.
Mir werden oft unzählige Fragen gestellt und ich könnte wohl endlos Geschichten erzählen, Orte beschreiben und Ereignisse schildern. Vielleicht täusche ich mich, aber ich habe manchmal den Eindruck, dass die Menschen, die diese Fragen stellen, häufig Antworten erwarten, die die klischeehaften Vorstellungen von Indien eigentlich nur unterstreichen. Leider sind diese Vorstellungen meistens eher negativ. Aber was ist mit den positiven Erfahrungen? Welche Eindrücke bleiben?
Was mich inspirierte – bleibende Eindrücke
Merkwürdig, aber wahr: Es gibt insbesondere eine Frage, die zwar kaum jemand stellt, die aus meiner Sicht aber die wichtigste ist: Was hat dich am meisten bewegt, womit kamst du überhaupt nicht zurecht, was ließ dich deine eigenen Vorstellungen überdenken und welche Eindrücke werden dir immer in Erinnerung bleiben?
Meine wichtigsten Erinnerungen sind hier zusammengefasst. Es sind Momente, die mich inspirierten und mein Leben bereicherten, weil ich dazu meinen Schreibtisch und damit auch meinen Wohlfühlbereich verlassen musste:
Sensibilisierung: Manche Situationen sind wirklich schwer mit anzusehen. Das hier ist weder eine Fernsehsendung noch ein Nachrichtenbeitrag über irgendjemanden irgendwo auf der Welt, mit dem man nichts zu tun hat. Das hier ist die Realität. Sie spielt sich vor unseren Augen ab und wir sind alle ein Teil davon. Im Büro oder zu Hause können Fernseher oder Computer einfach ausgeschaltet und die Bilder ignoriert werden. Hier geht das nicht. Man kann sich nicht einfach ausklinken. Jeder Beitrag hinterlässt eine nachhaltige Wirkung, jeder Beitrag zählt. Ein positiver Nebeneffekt ist das bleibende Gefühl, wirklich etwas bewirkt, etwas Gutes getan zu haben. Mit positiven Veränderungen können wir zu einer allgemeinen Sensibilisierung beitragen.
Leidenschaft: Etwas zu bewirken bedarf mehr als nur der Bereitschaft und eines guten Konzepts. Es bedarf Menschen, die Konzepte mit Leidenschaft umsetzen. Das habe ich erlebt, als ich mit den örtlichen NGO-Mitarbeitenden in die Dörfer gegangen bin. Nur, wer mit Leidenschaft dabei ist, hat die Energie und die Kraft, etwas durchzuziehen und immer noch einen Schritt weiterzugehen. Leidenschaft ist Sinnstiftung – sowohl beruflich als auch privat. Es ist die Leidenschaft, die zählt! Aus der Zusammenarbeit mit den Interessenvertretern vor Ort sowie durch Gespräche mit Menschen unterschiedlicher Meinungen (sei es geschäftlichen oder privat) kann man dazulernen. Die Vorstellung davon, wie es ist Werte zu schaffen und etwas zu bewirken, kommt von selbst, wenn man die Ergebnisse seiner Arbeit sehen und erleben kann.
Das ist genau die Tatkraft, die wir wieder in unsere tägliche Arbeit einbringen müssen. Andernfalls sollten wir uns wirklich fragen, warum wir tun, was wir tun – zu Hause, bei der Arbeit und im täglichen Leben. Der direkte Kontakt mit der Außenwelt hat einen weiteren großen Vorteil: Die NGOs wissen genau, wie sie dafür sorgen können, dass ihre Botschaft bei ihrem Publikum Nachhall findet. Sie erhalten eine direkte Rückmeldung. Der persönliche Kontakt mit den Menschen ermöglicht ein Wachstum, der allein durch Recherchen im Büro oder durch Statistiken nicht möglich wäre.
Kennen Sie jemanden, der mehr über den gewollten oder ungewollten positiven bzw. negativen Effekt einer solchen Erfahrung wissen oder wirklich etwas bewegen möchte? Dann sollten sie ihm auf jeden Fall eine Reise nach Indien und die Zusammenarbeit mit NGOs ans Herz legen.
Innovation: Wir machen so viele Dinge, ohne sie zu hinterfragen. Sie sind Teil unserer Kultur, unserer Werte und unseres Alltags. Dabei bemerken wir gar nicht, dass sie für andere vielleicht seltsam scheinen – denn wir sind so aufgewachsen und kennen nichts anderes. Dann aber werden diese Gewohnheiten und Verhaltensweisen plötzlich hinterfragt und es stellt sich heraus, dass sie nicht mehr der „Wahrheit“ entsprechen. Situationen wie diese zwingen uns, kreativ zu sein und einen neuen Weg zu suchen, um ans Ziel zu gelangen – oder aber zu erkennen, dass dieses Ziel hinfällig ist. Zu Hause und unter normalen Bedingungen werden diese festen Überzeugungen, wie die Dinge sind, nur selten hinterfragt oder gar debattiert und geändert, weil eben genau das so schwierig ist. Es gibt kein besseres Modell, um zu lernen, wie man mit „Kunden“ umgeht, als es täglich an der Seite von „Wegbereitern“ mitzuerleben. Nicht gewinnorientierte Organisationen und NGOs sind Meister des Engagements und finden oft kreative Wege, mit wenig Mitteln viel zu erreichen. Die Kombination aus sozialem, geschäftlichem und disruptivem sozial-unternehmerischem Denken führt zu einer völlig anderen und wesentlich wirkungsvolleren Dimension des strategischen Denkens und der konkreten Implementierung.
Einfachheit: Strategiepapiere sind nützlich, aber oft ist die Realität eine andere und erfordert einfache und pragmatische Lösungen. Eine Umsetzung der Strategien kann nur durch uns Menschen erfolgen. Der Schlüssel zum Erfolg besteht darin, komplexe Dinge zu vereinfachen und Vertrauen aufzubauen. Es geht darum zu überlegen, wie wir uns von der Vorstellung, „was mit Technik zu machen“ oder „etwas zu verteilen“ (oder riesige, als CSR-Beitrag deklarierte Geldsummen zu spenden) lösen und uns dafür einsetzen, in den unterversorgten Bevölkerungsgruppen echte Aufbauarbeit zu leisten. Das Wichtigste ist – soweit möglich – die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Interessenvertretern vor Ort, um sicherzustellen, dass unsere Vorhaben angenommen werden und nachhaltig sind. Um Geschäfte aufzubauen, müssen wir zunächst die Märkte dafür schaffen!
Ich bin davon überzeugt, dass diese Erkenntnisse von wesentlicher Bedeutung sind – für alle, die die Welt verbessern wollen, und alle, die ihren beruflichen und persönlichen Erfolg in der Zukunft sichern wollen. Vielfältige Herausforderungen erfordern vielfältige Lösungen. Komplexe Gesundheitsfragen können nicht von einem Beteiligten, einem Projekt oder einer Einrichtung allein gelöst werden.
Im Oktober 2017 lud das Team von MMH über 250 Gäste zur MMH Convention ein, die sowohl den Mitarbeitenden als auch interessierten NGOs, Sozialunternehmern und anderen Stakeholdern offen stand. Schwerpunkte der Convention waren dabei das Networking, die Kommunikation und das Aufspüren sozialunternehmerischen Potenzials. Unternehmensintern werden auf internationaler Ebene Wettbewerbe zu sozialen Themen organisiert, um den Zusammenhalt und die soziale Komponente im Unternehmen zu stärken. Die Unternehmen sind im sozialen Jahrhundert angekommen. Es geht nicht nur um digitale und soziale Medien oder darum, sich außerhalb des Unternehmens sozial zu betätigen. Es geht darum, die geschäftliche und die soziale Welt wieder zusammenzubringen, um dadurch unser Verhalten zu ändern und ein innovationsfreundliches Klima zu schaffen. Innovative Geschäftsmodelle, bei denen soziale Aspekte ein Kernelement unseres Geschäftsalltags darstellen, spielen dabei eine zentrale Rolle, ebenso wie das Erschaffen einer Atmosphäre, die neue Denkweisen in Bezug auf die Art wie wir arbeiten und die Entwicklung unserer Gesellschaft fördert!
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