
„Unsere Denkweise bereichert das Unternehmen“
Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität – was hat das mit der Arbeit zu tun? In der heutigen Zeit so einiges, finden wir. Erst 1990 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO Homosexualität von ihrer Liste der Krankheiten gestrichen. In den knapp drei Jahrzehnten seit diesem Tag hat sich vieles zum Positiven verändert – doch völlige Chancengleichheit für Lesben, Schwule und Transidente Menschen ist nach wie vor nicht gewährleistet.
Boehringer Ingelheim tritt für eine Kultur ein, in der Vielfalt wertgeschätzt wird, egal ob auf Grund von Geschlecht, kulturellem Hintergrund, Alter, Behinderungen, oder auch sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität: Das unternehmensinterne Regenbogen Netzwerk engagiert sich dafür, „buntes“ Leben bei Boehringer Ingelheim sichtbarer zu machen und bietet unseren LGBTIQ Kolleginnen und Kollegen einen geschützten Raum, um gemeinsam Erfahrungen und Sichtweisen auszutauschen.
In unserer LGBTIQ-Interviewreihe erzählen Kolleginnen und Kollegen aus den BI Regenbogen-Netzwerken von Ingelheim und Biberach von ihren Erfahrungen als lesbische, schwule, oder transidenten Mitarbeitende bei Boehringer Ingelheim. Lernen Sie Regina Balk kennen, Mitarbeiterin bei Boehringer Ingelheim und Mitglied im Orga-Team des Regenbogen Netzwerkes in Biberach.
Frau Balk, was ist derzeit Ihre Aufgabe bei Boehringer Ingelheim?
Ich bin in der Forschung im Bereich Medicinal Chemistry tätig. Das heißt, wir entwickeln Medikamente auf chemischer Basis. 2001 bin ich ins Unternehmen gekommen und arbeite seitdem hier am Standort in Biberach.
Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrem Berufsleben bislang mit einem Outing am Arbeitsplatz, bei Chefs oder Kolleginnen und Kollegen, gemacht?
Ich habe glücklicherweise keine negativen Erfahrungen gemacht. Natürlich weiß ich nicht, was hinter meinem Rücken gesprochen wird, aber mit offener Diskriminierung oder gar Ausgrenzung bin ich in meinem Berufsleben noch nie konfrontiert worden. In meinem privaten Umfeld und in meinem Freundeskreis war das ebenfalls nie ein Thema. Das war alles sehr selbstverständlich.
Erzählen Sie doch mal: Was war das positivste Erlebnis, dass Sie bei einem Outing am Arbeitsplatz je hatten?
Meine Frau und ich haben letztes Jahr geheiratet und das unter anderem mit einer Annonce in der Zeitung für Mitarbeitende von Boehringer Ingelheim bekannt gemacht. Da gab es viele schöne Rückmeldungen und Glückwünsche, worüber ich mich sehr gefreut habe. Selbst Monate später kamen noch Kolleginnen und Kollegen auf mich zu, die ich vorher nur flüchtig kannte, und sagten mir, wie toll sie das fänden. Das hat mir auch gezeigt: es fällt auf und die Menschen nehmen das wahr.
Inwiefern spielen sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität im alltäglichen Leben bei Boehringer Ingelheim eine Rolle?
Ich denke, dass es gerade im Bereich des Managements, besonders im höheren, durchaus eine Rolle spielt. Da gibt es bislang überhaupt keine Sichtbarkeit von LGBTIQ-Führungskräften. Ich finde es sehr schade, dass das dort nicht gelebt wird und zum Beispiel gleichgeschlechtliche Partner nicht zu Betriebsfeiern mitgebracht werden. Vielleicht ist es nach wie vor so, dass sich jemand, der eine Karriere anstrebt, den Schritt des Outings sehr gut überlegen muss. Wobei durch dieses Versteckspiel dem Unternehmen ja auch eine Menge Energie verloren geht.
Wie sind Sie in Kontakt mit dem Regenbogen Netzwerk gekommen? In welcher Form engagieren Sie sich dort?
Ich bin letztes Jahr über das Intranet auf das Netzwerk aufmerksam geworden und war im November zum ersten Mal auf einem Treffen hier in Biberach. Inzwischen bin ich Teil des siebenköpfigen Orga-Teams und helfe dabei, das Netzwerk auf- und auszubauen. Wir treffen uns mindestens einmal im Monat – eine bunt gemischte Truppe aus dem ganzen Werk – und organisieren Aktionen wie zum Beispiel zum Diversity Day am 30. Mai 2017. Damit wollen wir sichtbar werden und natürlich auch noch mehr Menschen für die Mitarbeit im Netzwerk gewinnen.
Was kann das Regenbogen Netzwerk aus Ihrer Sicht leisten? Warum lohnt es sich, zum Beispiel für eine lesbische Kollegin, dort mitzumachen?
Da gibt es für mich mehrere Aspekte. Wie das Engagement in einem Verein auch, erweitert die ehrenamtliche Arbeit in unserem Netzwerk in vielerlei Hinsicht den eigenen Horizont. Außerdem trifft man andere Menschen, denen man vielleicht sonst nicht begegnet wäre, und lernt dadurch andere Sichtweise kennen. Zudem bietet das Netzwerk auch bei Problemen einen geschützten Raum. Man kann aber auch einfach zu uns kommen und Spaß haben (lacht). Insgesamt ist es aus meiner Sicht wichtig, dass wir uns zeigen. Je mehr LGBTIQs offen sind und zu dem stehen, was sie sind, umso „normaler“ wird das Thema für andere.
Was können Mitarbeitende, die sich im Regenbogen Netzwerk engagieren, für das Unternehmen tun?
Eine Gesellschaft, die nur aus Gleichdenkenden besteht, hat uns noch nie weitergebracht. Das gilt natürlich auch für ein Unternehmen wie Boehringer Ingelheim. Gerade LGBTIQs haben oft besondere Erfahrungen in ihrem Leben gemacht und sich vielleicht intensiver mit der eigenen Entwicklung auseinandergesetzt als andere. Ich bin überzeugt, dass unsere Denkweise das Unternehmen bereichert. Durch die offene Anerkennung von Diversität wird Boehringer Ingelheim ja auch als Arbeitgeber attraktiver. Das Unternehmen könnte sich auf Karrieremessen wie zum Beispiel „Sticks & Stones“, einer Veranstaltung in Berlin speziell für die LGBTIQ-Zielgruppe, präsentieren und zeigen: Bei uns wird es keine Diskriminierung geben.
Was wünschen Sie sich im Hinblick auf die Arbeit des Netzwerkes und die Sichtbarkeit von LGBTIQ im Unternehmen?
Zunächst einmal wäre es toll, wenn sich mehr Mitarbeitende im Netzwerk engagieren würden. Wir stehen noch ganz am Anfang und müssen da erst einmal hineinwachsen und laufen lernen. Vom Unternehmen wünsche ich mir auch in Zukunft ein klares Bekenntnis zu Diversität und zur Unterstützung von LGBTIQ-Mitarbeitenden. Es wäre schön, wenn die Führungsebene sensibilisiert würde und explizit gegen Diskriminierung eintritt. Nach dem Motto: „Bis hierhin und nicht weiter!“ Als Regenbogen Netzwerk möchten wir die Gruppe der LGBTIQ aus der exotischen Ecke herausholen und für einen normalen Umgang mit diesem Thema werben. Unter dem Strich zählt nur der Mensch. Unser Unternehmen bildet ja auch die Gesellschaft ab und ich wünsche mir, dass wir auch nach außen für mehr Toleranz und Akzeptanz einstehen.
Welchen Tipp würden Sie neuen LGBTIQ-Mitarbeitenden bei Boehringer Ingelheim mit auf den Weg geben, die sich am Arbeitsplatz bislang noch nicht geoutet haben?
Lügen haben kurze Beine. Deswegen würde ich jedem raten, sich zu outen – statt sich schreckliche Szenarien auszumalen, die vermutlich gar nicht in dieser Form eintreten werden. Je persönlicher man einen Menschen kennenlernt, desto weniger spielt Schubladendenken eine Rolle. Ich habe die Erfahrung gemacht, zum Beispiel auch in meiner Nachbarschaft: Je offener ich mit meiner Homosexualität umgehe, desto leichter ist es für mein Gegenüber. Da ist dann auch schon mal die eine oder andere überraschende Reaktion dabei gewesen – im positiven Sinne. Natürlich kann es auch negative Erlebnisse geben und letztlich muss jeder selbst entscheiden, wie offen er damit umgeht. Solange es für die Medien noch notwendig scheint, Informationen über die sexuelle Orientierung oder die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht, gleich welcher Art, zu erwähnen, haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Erst wenn das so nebensächlich geworden ist, dass es niemand mehr erwähnenswert findet, dürfte diese Welt besseren Zeiten entgegensehen.
Wir hatten gerade ein verlängertes Wochenende mit ziemlich durchwachsenem Wetter – was haben Sie denn so mit Ihrer Freizeit angestellt?
Ich führe eine Wochenend-Beziehung, meine Frau und ich leben in Konstanz – insofern fahre ich jedes Wochenende gerne nach Hause. Am Bodensee kann man viele schöne Dinge unternehmen und das Leben genießen, bei gutem und bei schlechtem Wetter (lacht).
2 Kommentar(e) für '„Unsere Denkweise bereichert das Unternehmen“'
Kommentare
Liebe Regina, herzlichen Dank
Liebe Britta, danke für Dein
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