
"Respekt, Vertrauen, Empathie und Leidenschaft“ – Interview mit Prof. Eric Haaksma zum Regenbogen Netzwerk
Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität – was hat das mit der Arbeit zu tun? In der heutigen Zeit so einiges, finden wir. Erst 1990 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO Homosexualität von ihrer Liste der Krankheiten gestrichen. In den knapp drei Jahrzehnten seit diesem Tag hat sich vieles zum Positiven verändert – doch völlige Chancengleichheit für Lesben, Schwule und Transidente Menschen ist nach wie vor nicht gewährleistet.
Boehringer Ingelheim tritt für eine Kultur ein, in der Vielfalt wertgeschätzt wird, egal ob auf Grund von Geschlecht, kulturellem Hintergrund, Alter, Behinderungen, oder auch sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität: Das unternehmensinterne Regenbogen Netzwerk engagiert sich dafür, „buntes“ Leben bei Boehringer Ingelheim sichtbarer zu machen und bietet unseren LGBTIQ Kolleginnen und Kollegen einen geschützten Raum, um gemeinsam Erfahrungen und Sichtweisen auszutauschen.
In unserer LGBTIQ Interviewreihe erzählen Mitwirkende des Boehringer Ingelheim Regenbogen Netzwerkes aus Ingelheim und Biberach davon. Lernen Sie zum Start der Reihe Prof. Eric Haaksma kennen, Forschungsleiter Deutschland und Management-Sponsor des Boehringer Ingelheim Regenbogen Netzwerkes.
Herr Professor Haaksma, welche Motivation verbirgt sich hinter der Schaffung des Regenbogen Netzwerkes bei Boehringer Ingelheim?
Für uns als Unternehmen ist Innovation extrem wichtig. Innovation ist bei uns immer Teamarbeit, das ist der Kern unseres Geschäfts. Und Teamarbeit funktioniert vor allem über Diversität: unterschiedliche Ansätze und unterschiedliche Meinungen. Gemeinsam kreativ arbeiten.
Der Aufbau von Netzwerken wie dem Regenbogen Netzwerk bei Boehringer Ingelheim ist daher nur konsequent.
Wie kann Boehringer Ingelheim das aus ihrer Sicht nutzen und aktiv in die Arbeit einbringen?
Meine Erfahrung ist, dass Ideen nur dadurch besser werden, dass sie Widerstand erfahren. Aus diversen Teams kann man diesbezüglich unheimlich viel lernen, zum Beispiel zu Fragen wie „Wie kommuniziere ich mit Menschen?“ oder „Wie gestalte ich Teamarbeit?“. Wir wollen uns die Diversität, die gesellschaftlich, aber auch im Unternehmen herrscht, bewusst machen und sie nutzen. In meinen Gesprächen mit den Mitgliedern des Netzwerkes ist mir klar geworden, dass unsere LGBTIQ-Mitarbeitenden ihr Leben und ihre Situation sehr stark reflektieren. Wenn wir es schaffen, diese unterschiedlichen Perspektiven auch im tagtäglichen Leben bei Boehringer Ingelheim zu berücksichtigen, wird das von großem Nutzen für uns alle sein. Wir können beim Thema Diversität nur gewinnen.
Welchen Ansatz verfolgt Boehringer Ingelheim beim Thema LGBTIQ?
Für Boehringer Ingelheim als Familienunternehmen steht ganz klar im Fokus, was auch in unserem Leitbild verankert ist: Wir arbeiten im Dienste des Menschen. Zur Erforschung von Krankheiten, zur Entwicklung neuer Arzneimittel und zur Erarbeitung neuer Behandlungsansätze. Die zentrale Frage aus meiner Sicht lautet, wie wir die vorhandene Diversität nutzen können. Wie können wir Diversität in unserer täglichen Arbeit einsetzen? Aus meinen Gesprächen mit Mitarbeitenden aus dem Regenbogen Netzwerk weiß ich, dass da einerseits ein großes Potenzial vorhanden ist, andererseits aber auch Sorgen und Ängste existieren, sich zu outen. Einige LGBTIQ-Mitarbeitende haben zum Beispiel eine eigene Sprache entwickelt. Sie sprechen nicht über „meinen Freund“ oder „meine Freundin“, sondern nutzen neutrale Formulierungen. Auf diese Weise lügen sie nicht, verbergen aber dennoch, dass sie lesbisch oder schwul sind. Daran müssen wir etwas ändern. Wir brauchen eine offene Gesellschaft, nicht nur bei Boehringer Ingelheim. Wir brauchen Respekt, Vertrauen, Empathie und Leidenschaft – auch das sind ja zentrale Werte unseres Unternehmens. Erst wenn sich jemand wohlfühlt und entspannen kann, kann Kreativität voll zur Entfaltung kommen und im Unternehmen eingebracht werden. Um mein Potenzial voll ausnutzen zu können, muss ich so sein dürfen, wie ich bin. In unserer Gesellschaft und auch bei Boehringer Ingelheim müssen wir uns weiterhin dafür einsetzen.
Wie realistisch schätzen Sie es ein, dass Boehringer Ingelheim als Unternehmen eine Art geschützten Raum für seine LGBTIQ-Mitarbeitenden etablieren kann?
Ich glaube, dass wir bei Boehringer Ingelheim diesen geschützten Raum für unsere Beschäftigten kreieren können. Derzeit gibt es bei manchen LGBTIQ-Mitarbeitenden noch Sorgen, wenn es darum geht, sich gegenüber Kolleginnen und Kollegen oder Chefs zu outen. Das Regenbogen Netzwerk leistet hier einen wichtigen Beitrag, da sich die Mitglieder in ihren Gesprächen untereinander gegenseitig herausfordern und unterstützen. Zum Beispiel nach dem Motto: „Hast du es denn gegenüber deinem Chef mal angesprochen?“ – „Nein, ich befürchte eine negative Reaktion.“ Da entsteht ganz schnell eine Spirale, die wir durchbrechen müssen. Zudem schafft das Netzwerk einen Raum, in dem Kolleginnen und Kollegen, die selbst nicht zur LGBTIQ-Gruppe gehören, Fragen stellen und ins Gespräch kommen können. Kommunikation schafft Offenheit.
Was bedeutet das Thema für Boehringer Ingelheim auf globaler Ebene?
Wir treten für Menschenrechte und Chancengleichheit ein. Das zeigt sich unter anderem in unserem Leitbild oder auch in unserer Mitgliedschaft in der Charta der Vielfalt. Wir wollen dafür sorgen, dass alle LGBTIQ-Mitarbeitenden ihre Arbeit machen können und unser Unternehmen als einen geschützten Raum erleben – völlig unabhängig davon, welchen Hintergrund sie haben oder an welchem Standort sie arbeiten.
Gibt es Befürchtungen, der Einsatz für LGBTIQ-Mitarbeitende könnte auch einen negativen Einfluss auf bestimmte Geschäftsbereiche – etwa den Verlust von Kunden – haben?
Da komme ich wieder zurück zum Leitbild von Boehringer Ingelheim und zur Frage, warum ich selbst so gerne für dieses Unternehmen arbeite: „Im Dienste des Menschen.“ Dabei machen wir keine Unterscheidung nach sexueller Orientierung, Herkunft oder anderen Dingen. Wir erforschen Krankheiten und entwickeln Therapiemöglichkeiten. Punkt. Es mag Menschen geben, die Anstoß daran nehmen, wenn wir uns zum Beispiel für LGBTIQ-Beschäftigte einsetzen. Aber mindestens genauso viele werden sagen „das finde ich toll, dass ihr das macht“ und uns dafür respektieren. Ich kann keine Vorhersage darüber treffen, ob es wirtschaftlich negative Konsequenzen haben und das Unternehmen dafür „bestraft“ werden wird. Aber ich kann es mir nicht vorstellen. Die Ausgrenzung bestimmter Gruppen oder Minderheiten ist insgesamt glücklicherweise eine Ausnahme.
Was ist Ihre persönliche Motivation, sich als Sponsor für das Regenbogen Netzwerk zu engagieren?
Ich bin erst seit wenigen Monaten Management-Sponsor für das Regenbogen Netzwerk und habe in dieser Zeit, vor allem durch Gespräche mit den Mitgliedern, schon unglaublich viel gelernt. Das Thema LGBTIQ ist sehr komplex, gesellschaftlich wie auch unternehmensintern. Ich habe es als große Herausforderung gesehen, mich für das Netzwerk zu engagieren und dachte: ich kann nur gewinnen. Meine Rolle als Sponsor hat mir persönlich auch dabei geholfen, mich noch mehr mit dem Thema auseinander zu setzen. Auch wenn ich sehr weltoffen bin, ist das doch bislang noch ein blinder Fleck gewesen. Das Regenbogen Netzwerk hilft mir dabei, eine noch offenere Sicht auf die Gesellschaft zu bekommen. Und wenn ich dann noch dazu beitragen kann, den LGBTIQ-Beschäftigten bei Boehringer Ingelheim einen Teil ihrer Ängste zu nehmen und ihnen bessere Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen, ist das großartig. Auf diese Weise gewinnen alle: das Unternehmen, die Mitarbeitenden und ich persönlich auch.
Erhoffen Sie sich auch positive Auswirkungen auf Ihre Aufgaben als Führungskraft?
Ich weiß, dass ich einen bestimmten Führungsstil habe und möchte mein Spektrum diesbezüglich erweitern und ein besseres Gefühl dafür bekommen, wie ich mit einer diversen Gruppe umgehen und wie ich Menschen erreichen kann. Das ist für mich eine Bereicherung.
Das Regenbogen Netzwerk bei Boehringer Ingelheim ist ja noch vergleichsweise jung, Sie selbst sind erst seit einigen Monaten Management-Sponsor. Was sind aus Ihrer Sicht die nächsten Schritte in der Arbeit des Netzwerkes?
Der Diversity Tag ist meiner Ansicht nach ein wunderbarer Startpunkt, um das Thema anzusprechen. Momentan ist unser Ziel vor allem, Aufmerksamkeit zu schaffen und das Thema in das Unternehmen zu tragen. Die Offenheit gegenüber LGBTIQ ist nicht so groß, wie wir glauben. Viele Menschen, die nicht selbst zu dieser Gruppe gehören, haben gar keine Antenne für dieses Thema. Diese Antennen können aber nur im Gespräch und in der Auseinandersetzung entwickelt werden. Hier geht es ganz stark um Bewusstsein. Dazu gehört auch, den Menschen zu verdeutlichen, warum wir überhaupt darüber reden müssen. Das ist für mich die wichtigste Aufgabe im kommenden Jahr: der Dialog.
Welche Bedeutung hat das Thema mit Blick auf die Zukunft von Boehringer Ingelheim?
Neben der bereits angesprochenen Innovation und Kreativität für unser Unternehmen, geht es aus meiner Sicht auch darum, ein attraktiver Arbeitgeber für Experten aus dem Ausland und für junge Talente zu sein. Ein Mitglied des Regenbogen Netzwerkes sagte: wenn wir uns als offenes Unternehmen positionieren, dann möchte er bei Jobbörsen und Karrieremessen für Boehringer Ingelheim als Top-Arbeitgeber werben. Die Menschen sollen sehen, dass sie nichts verstecken müssen, was untrennbar zu ihrer Person gehört. Das gibt uns die Möglichkeit, hervorragende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus dem In- und Ausland für Boehringer Ingelheim zu begeistern. Das Netzwerk kann also auch eine Botschafter-Funktion für das Unternehmen ausüben. Nach dem Motto: Was kann ich als Arbeitnehmer für Boehringer Ingelheim tun? Das ist toll.
Was wünschen Sie sich im Hinblick auf die Arbeit des Regenbogen Netzwerkes – was sollte sich in drei oder fünf Jahren verändert haben?
Für mich stehen da drei Aspekte im Fokus. Erstens geht es um die Stärkung des Themas Diversity & Inclusion für Boehringer allgemein und auch für das Regenbogen Netzwerk im Besonderen. Zweitens wäre es toll, wenn LGBTIQ-Mitarbeitende sich bei uns so wohl fühlen, dass sie sich jenseits ihrer eigentlichen Pflichten und Aufgaben zusätzlich für das Unternehmen einsetzen. Wie zum Beispiel der gerade angesprochene Mitarbeiter, der auf Karrieremessen für das Unternehmen werben möchte. Drittens wünsche ich mir, dass das Netzwerk so etabliert und bekannt ist, dass es als Ansprechpartner für alle Beschäftigten im Unternehmen gesehen wird, die Fragen zum Thema LGBTIQ haben oder ins Gespräch gehen möchten, zum Beispiel weil sie einen schwulen Bruder haben oder selbst lesbisch sind. Die Botschaft, die ankommen soll, lautet: „Ihr seid offen, mit euch kann ich reden.“ Wenn wir das als Regenbogen Netzwerk leisten können, haben wir extrem viel erreicht.
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