
„Meine Devise: Offenheit ist der beste Weg“
Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität – was hat das mit der Arbeit zu tun? In der heutigen Zeit so einiges, finden wir. Erst 1990 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO Homosexualität von ihrer Liste der Krankheiten gestrichen. In den knapp drei Jahrzehnten seit diesem Tag hat sich vieles zum Positiven verändert – doch völlige Chancengleichheit für Lesben, Schwule und Transidente Menschen ist nach wie vor nicht gewährleistet.
Boehringer Ingelheim tritt für eine Kultur ein, in der Vielfalt wertgeschätzt wird, egal ob auf Grund von Geschlecht, kulturellem Hintergrund, Alter, Behinderungen, oder auch sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität: Das unternehmensinterne Regenbogen Netzwerk engagiert sich dafür, „buntes" Leben bei Boehringer Ingelheim sichtbarer zu machen und bietet unseren LGBTIQ Kolleginnen und Kollegen einen geschützten Raum, um gemeinsam Erfahrungen und Sichtweisen auszutauschen.
In unserer LGBTIQ Interviewreihe erzählen Kolleginnen und Kollegen aus den BI Regenbogen-Netzwerken von Ingelheim und Biberach von ihren Erfahrungen als lesbische, schwule, oder transidenten Mitarbeitende von Boehringer Ingelheim. Lernen Sie Lea Becker kennen, transidente Mitarbeiterin bei Boehringer Ingelheim und Mitglied des Regenbogen Netzwerks in Ingelheim.
Frau Becker, was ist derzeit Ihre Aufgabe bei Boehringer Ingelheim?
Ich arbeite am Standort Ingelheim in der Einheit IT OPS Security Management im Bereich der Personen- und Gebäudesicherheit, unter anderem für Brandmelde- und Evakuierungsanlagen oder Zugangs-Berechtigungssysteme. Ich bin schon seit 1986 im Unternehmen tätig, zunächst als externer Mitarbeiter, seit 2000 intern. Mein Arbeitsbereich ist sehr technisch und daher eine reine Männerdomäne. Früher habe ich mich im Technischen sehr vergraben, aber seit ich als Transidente offen lebe, ist mir das Menschliche viel wichtiger (lacht).
Sie sind transident. Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrem Berufsleben bislang mit einem Outing am Arbeitsplatz, bei Chefs oder Kolleginnen und Kollegen, gemacht?
Da habe ich die volle Bandbreite an Reaktionen erlebt. Von Respekt und Anerkennung bis hin zu Unverständnis. Für manche Menschen bin ich plötzlich unsichtbar geworden. Einige haben zum Beispiel aufgehört, mich zu grüßen. Aber das war die Ausnahme – die positiven Reaktionen haben bei weitem überwogen. Ich habe im Februar 2014 einen offenen Brief zu meiner Transidentität geschrieben. Dieser Brief ging an 100 Menschen, mit denen ich im beruflichen Kontext zu tun hatte, sowohl unternehmensintern, aber auch Lieferanten und Dienstleister. Ich glaube, dass Offenheit bei den Menschen Interesse erzeugt. Da haben sich durch meine eigene Offenheit schon so manche Frage und so manches schöne Gespräch ergeben. Nach dem Motto: „Redet mit mir, nicht über mich“. Zudem hatte ich die volle Unterstützung meiner Vorgesetzten, vor allem meines direkten Chefs. Das war sehr wertvoll.
Erzählen Sie doch mal: Was war das positivste Erlebnis, dass Sie bei einem Outing am Arbeitsplatz je erlebt haben?
Da gab es mehrere sehr positive Dinge. Zum Beispiel habe ich schon mehrere Monate vor meinem öffentlichen Outing einige meiner direkten Kollegen eingeweiht. Wir haben uns viel über das Thema unterhalten und ich habe sie gebeten, zunächst noch nicht mit anderen darüber zu sprechen. Daran haben sich alle gehalten und das war für mich ein ganz toller Vertrauensbeweis. Ich glaube, das Schönste überhaupt war das Outing an sich. Der Weg dorthin war lange und anstrengend, aber endlich offen leben zu können – das war unglaublich befreiend. Das Feedback auf meinen offenen Brief damals war ebenfalls ein sehr positives Erlebnis. Mir bis dahin unbekannte Kolleginnen und Kollegen haben mich kontaktiert und ihren Respekt mir gegenüber geäußert.
Inwiefern spielen sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität im alltäglichen Leben bei Boehringer Ingelheim eine Rolle?
Spontan würde ich sagen: eigentlich gar keine. Aber natürlich spielt es eine Rolle, wenn man aus der Norm fällt. Das fängt damit an, dass lesbische Kolleginnen oder schwule Kollegen es vermeiden, von ihren Partnern zu erzählen, wenn sie am Arbeitsplatz nicht geoutet sind. Und einem transidenten Menschen kann es passieren, dass er sich an der Pforte erklären muss, warum der Name in seinem Personalausweis nicht mit seinem äußeren Erscheinungsbild übereinstimmt. Da lauern schon so einige Fettnäpfchen. Hier kann das Regenbogen Netzwerk einen wichtigen Beitrag leisten, um mit anderen über die eigenen Erfahrungen sprechen und Veränderungen anstoßen zu können.
Wie sind Sie in Kontakt mit dem Regenbogen Netzwerk gekommen? In welcher Form engagieren Sie sich dort?
Im Sommer 2016 habe ich in unserem Intranet eine Einladung zu einem ersten Treffen des Netzwerkes gesehen und dachte spontan „da gehe ich hin“. Ich habe mich da von Anfang an angenommen gefühlt und empfinde unsere Netzwerk-Treffen als harmonisches Miteinander. Inzwischen bin ich Teil des vierköpfigen Orga-Teams hier in Ingelheim und stehe jedem gerne als Ansprechpartnerin zum Thema Transidentität für Fragen oder ein offenes Gespräch zur Verfügung. Meine Kontaktdaten sind im Intranet zu finden und ich freue mich über einen Anruf von interessierten Kolleginnen und Kollegen.
Was kann das Regenbogen Netzwerk aus Ihrer Sicht leisten? Warum lohnt es sich, zum Beispiel für einen schwulen Kollegen, dort mitzumachen?
Grundsätzlich lautet meine Devise: Offenheit ist der bessere Weg. Natürlich hängt es immer von der persönlichen Lebenssituation ab und letztlich muss das jeder für sich selbst entscheiden. Aber für jemanden, der nicht geoutet ist, kann das Regenbogen Netzwerk wertvolle Unterstützung bieten und Ängste nehmen. Das Netzwerk schafft Vorbilder und Raum, um Erfahrungen auszutauschen und gibt Rückhalt. Aber auch für geoutete Menschen im Unternehmen ist das Netzwerk ein Gewinn. Am Ende profitieren doch alle von einem offenen und konfliktfreien Arbeitsumfeld, in dem keine Zeit und Energie auf nebensächliche Dinge wie sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität verschwendet wird. Dafür setzen wir uns ein. Engagement ist notwendig und lohnt sich – sonst wären viele Dinge nicht erreicht worden.
Was können Mitarbeitende, die sich im Regenbogen Netzwerk engagieren, für das Unternehmen tun?
Aus meiner Sicht gewinnt Boehringer Ingelheim sowohl nach innen als auch nach außen durch unsere Arbeit. Intern stehen wir allen Mitarbeitenden als Ansprechpartner zur Verfügung, außerdem wollen wir eng mit der Personalabteilung, dem Betriebsrat oder der Mitarbeiterberatung kooperieren. Aber das Netzwerk repräsentiert das Unternehmen ja auch nach außen, zum Beispiel im Kontakt mit LGBTIQ-Netzwerken anderer Unternehmen oder beim „Runden Tisch“ der rheinland-pfälzischen Landesbeauftragten für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechtsidentität. Wir machen Vielfalt in unserem Unternehmen sichtbar – und diese Offenheit kann für viele Menschen ein gutes Argument sein, sich für Boehringer Ingelheim als Arbeitgeber zu entscheiden.
Was wünschen Sie sich im Hinblick auf die Arbeit des Netzwerkes und die Sichtbarkeit von LGBTIQ im Unternehmen?
Ich wünsche mir, dass die Menschen ihre Angst verlieren, Interesse entwickeln und mit uns ins Gespräch kommen. Zum Beispiel, wenn wir vom Regenbogen Netzwerk irgendwo mit einem Infostand vertreten sind. Der Dialog ist so wichtig, um Berührungsängste abzubauen. Darum bin ich aktiv: Ich kann Menschen, die sich strikt gegen buntes Leben wehren, nicht ändern. Ich kann diesen Menschen aber sehr wohl den Nährboden entziehen und es ihnen ein bißchen schwerer machen.
Welchen Tipp würden Sie neuen LGBTIQ-Mitarbeitenden bei Boehringer Ingelheim mit auf den Weg geben, die sich am Arbeitsplatz bislang noch nicht geoutet haben?
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich nur sagen: Man lebt viel besser, wenn man geoutet ist. Natürlich muss jeder seinen eigenen Weg finden, aber gerade transidente Menschen haben oft großen inneren Stress. Da kann es eine große Erleichterung sein, sich anderen gegenüber, etwa im Regenbogen Netzwerk, zu öffnen. Auf Wunsch auch anonym. Außerdem kann es helfen, schon im Vorfeld eines Outings vertrauensvolle Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte einzubeziehen. Mein Rat lautet: Egal, für welchen Weg ihr euch persönlich auch entscheidet – ihr seid nicht allein. Sprecht uns an!
Heute ist Ihr letzter Arbeitstag vor Ihrem Urlaub – haben Sie etwas Besonderes geplant?
Die Chancen auf schönes Wetter steigen ja und ich plane, nächste Woche viel Zeit in der Natur und mit sportlichen Aktivitäten zu verbringen. Meine Frau und meine beiden Töchter bleiben zuhause – ich brauche mal ein wenig Zeit für mich. Der gemeinsame Familienurlaub wird Ende Juli sein. Übrigens kann ich meinen Urlaub heute mehr denn je genießen. Ich lebe viel gesünder, ruhiger und unternehme Dinge, die vor meinem Outing undenkbar waren. Schwimmen gehen zum Beispiel. Und ich lerne gerne neue Menschen kennen. Darauf freue ich mich.
4 Kommentar(e) für '„Meine Devise: Offenheit ist der beste Weg“'
Kommentare
Hallo Lea, Respekt für Dein
Hallo Johanna, ich bin in der
Liebe Frau Becker - ganz
Lieber Herr Neumann, erst mal
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