
Arbeiten in Kenia: Agilität, Vielfalt, Empathie
Ein fehlendes Bewusstsein über Krankheiten und ein mangelndes Gesundheitswesen stellen ernste Probleme für die Menschen in den Armenvierteln von Nairobi dar. Eduardo Lioy reiste als Executive in Residence (EIR) für Making More Health nach Kenia, um mit Access Afya zusammenzuarbeiten, einem Sozialunternehmen und Start-Up, das Mikro-Kliniken für die ärmsten der Armen betreibt. Ziel der Zusammenarbeit war es, ein Programm zu entwickeln, das Anreize für regelmäßige Besuche dieser Kliniken gibt. Dabei sind Diversity und Inclusion maßgebliche Treiber für Innovation und Wachstum. Lioy verbrachte sieben Monate in Kenia – vier Monate länger, als er ursprünglich geplant hatte. Ein Artikel von Jan Pfaff.
Eduardo Lioy ist ein Manager mit reichlich Erfahrung in der globalen Pharmaindustrie und einem naturwissenschaftlichen Hintergrund. Access Afya ist ein Sozialunternehmen, das kostengünstige Kliniken in den Armenvierteln von Nairobi betreibt. Diese kleinen Kliniken befinden sich in der Nähe ihrer Patienten und bieten ihre Dienstleistungen so günstig wie möglich an. Das Personal ist angemessen ausgebildet, um diese Gesundheitsdienstleistungen zu erbringen. Jede dieser Kliniken hat eine Größe von einem bis drei Räumen; der einzelne Raum der kleinsten Klinik wird durch Vorhänge in ein kleines Empfangszimmer, eine Behandlungszimmer und ein Labor geteilt. Die Kunden sind Menschen mit einem Einkommen von 10.000 kenianischen Schilling (etwa 100 Euro) oder weniger im Monat, die sich keine Krankenversicherung leisten können.
Unternehmer in Kenia
Ursprünglich war es Lioys Aufgabe, eine Strategie für die Markteinführung eines Programms für Mikro-Versicherungen gemeinsam mit dem Partner Changamka (einem anderen Unternehmen mit einem Programm für mobile Krankenversicherungen für Geringverdienende) zu entwickeln. „An meinem ersten Tag in Kenia kündigte uns Changamkas ursprünglicher Partner die Zusammenarbeit auf“, erinnert sich Lioy. Er musste schnell und entschieden handeln, um die Unternehmung zu retten: „Ich musste ans Reißbrett zurück und ein neues Konzept entwickeln“, erklärt er „Im Gegensatz zu Europa mit seinem sehr strukturierten und regulierten Wirtschaftsumfeld gibt es nur wenige Regulationen für unternehmerische Tätigkeit in Kenia und wenige Strukturen, die Hilfe leisten können – Unternehmende müssen schnell neue Ideen entwickeln.“ Eine Situation konnte sich über Nacht verändern und Lioy musste sehr agil sein, damit das Programm überleben konnte.
Dies gab ihm aber auch Gelegenheit, seine Führungsqualitäten zu verfeinern: „Meiner Meinung nach ist Empathie unter den Charakterzügen von Führungskräften nicht immer sehr ausgeprägt, die eher fakten- und ergebnisorientiert sind. Ich wollte meine Fähigkeit, mit Einfühlungsvermögen zu führen weiterentwickeln, sowohl für mich selbst, als auch zugunsten meines Teams“, erklärt Lioy seine Motivation ein Executive in Residence (EIR) zu werden.
Neue Partner und Agile Problemlösungen
Die ärmsten Bewohnerinnen und Bewohner Nairobis haben nur wenig Zugang zu Ärzten, sodass sie nur ein geringes Bewusstsein für Krankheiten und die korrekte Anwendung von Medikamenten haben. Allerdings hat Kenia ein gut entwickeltes Mobilnetz und ein hochentwickeltes Mobile Wallet System (für mobile Zahlungen) namens M-PESA. Lioy wandte sich deshalb an zwei Partner: Zum einen M-TIBA, Entwickler einer mobilen Gesundheits-Geldbörse, die auf Smart- und Nicht-Smarttelefonen funktioniert und es ermöglicht, Geld für medizinische Ausgaben anzulegen. Der andere ist Intellecap, ein Marktforschungsdienstleister in Entwicklungsländern, der bei der Auswertung der Erfolgschancen des Mikro-Versicherungsmodells geholfen hat.
Das Programm ist darauf ausgerichtet, die vier größten Hürden für Gesundheitsversorgung anzugehen: Bezahlbarkeit, Verfügbarkeit, Bewusstsein und Einhaltung. Das Ergebnis ist Akiba Ya Roho, ein Gesundheitsmanagement-Programm für nichtübertragbare Krankheiten, das wie ein Sparstrumpf für Patienten und Patientinnen funktioniert. Es erlaubt ihnen, Geld zu sparen und zusätzliche finanzielle Anreize zu erhalten, die sie bei anschließenden Krankenhausbesuchen investieren können. Die Mikro-Kliniken bieten Felduntersuchungen an und die Patienten und Patientinnen erhalten zusätzlich Geld für routinemäßige Blutdruck- und Blutzuckertests auf ihre Akiba ya Roho Konten. Die Plattform wiederum erlaubt es, das Patientenverhalten zu beobachten und „gutes“ Verhalten finanziell zu belohnen.
Die Felduntersuchungen und Anschlussbesuche im ersten Jahr werden von Boehringer Ingelheim mit 75.000 Euro bezuschusst. Teilnehmende, die positiv auf eine Krankheit getestet werden, sollen zu wiederkehrenden Patienten der Kliniken werden, was wiederum dazu beitragen soll, sie langfristig ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung von außen profitabel zu machen. „Akiba ya Roho wurde Anfang Juli gestartet und das Interesse bei den Menschen ist groß, es gab lange Schlangen von Leuten, die getestet werden wollten“, beschriebt Lioy den erfolgreichen Start „Mittlerweile sind mehr als 11.000 Personen untersucht worden, von denen viele zu regulären Patienten der Kliniken geworden sind.“
Diverse Perspektiven
Letztendlich verbrachte Lioy sieben Monate in Kenia – ursprünglich hatte er drei geplant. Die vielfältigen Perspektiven, die er in das Projekt in Afrika eingebracht hat und die große Agilität seitens seiner Führungskraft und seines Teams bei Boehringer Ingelheim haben den Erfolg von Akiba ya Roho ermöglicht. Lioys Team wiederum hatte viel Gelegenheit, während seiner Abwesenheit selbstständig zu arbeiten und Entscheidungen zu treffen, ohne seine Zustimmung einholen zu müssen. „Am Ende wurde einer meine Mitarbeiter zum Kollegen als Führungskraft; auch wegen der Verantwortung, die er in meiner Abwesenheit übernommen hatte“, erklärt Lioy.
Diversity und Inclusion bedeutet, ein Team so zusammenzusetzen, dass ein inclusives Umfeld entsteht, in dem vielfältige Denkweisen geschätzt werden. „In Kenia habe ich gelernt, wie ich als Unternehmer ein neues Unternehmen aufbaue“, sagt Lioy. Aber die Partnerschaft mit Access Afya und die Erfahrung, eine Firma zu entwickeln hat ihm nicht nur unternehmerisches Verständnis gegeben. In einem viel kleineren Maßstab als in Ingelheim im Gesundheitsbereich zu arbeiten hat seine Sicht auf Boehringer Ingelheim und die Aufgabe des Unternehmens erweitert: „Die Lebensrealität in Kenia zu erleben hat mir erlaubt, besser zu verstehen, warum wir als Pharmaunternehmen da sind“, erklärt Lioy, denn „trotz der schwierigen Situation, in der sie leben, haben mich die Menschen in den Armenvierteln mit ihrer Freundlichkeit und Lebensfreude beeindruckt. Vieles, was wir in Deutschland als Probleme wahrnehmen, lässt sich einfach lösen. Wir leben in einem geschützten Umfeld und ich habe gelernt, dankbar dafür zu sein.“
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